02) Plettenberger Unternehmervillen

Die Tafel 2 erzählt von der 1966 abgebrochenen Villa Seißen­schmidt. Zwei vergleichbare Gebäude, welche die Abrisswut der Plettenberger bisher verschont hat, sollen nun vorgestellt werden.

Typische Unternehmervillen der Kaiserzeit sollten die Finanzkraft und den sozialen Rang ihrer Bauherren dokumentieren. Zwei Bautypen lassen sich unterscheiden: das Einzelwohnhaus vor der Stadt und die Fabrikantenvilla in der unmittelbaren Nachbarschaft der Produktionsstätte. Während des wirtschaftlichen Aufschwungs Plettenbergs gegen Ende des 19. Jahrhunderts ließen sich auch viele der hiesigen Unternehmer solche repräsentativen Wohnhäuser errichten. Nur wenige davon haben die verschiedenen Phasen der Stadtentwicklung überlebt.

Ein besonders schönes, reich mit Stuck in jugendstilhaften Formen verziertes Ex­emplar steht heute noch an der Umgehungsstraße Wall (zwischen Feuerwa­che und Polizei - bei den Gebäuden der Feuerwa­che handelt es sich um umgebaute Restbestände der ehemaligen Gesenk­schmiede Kühne, zu der die Villa gehörte). Die zweigeschossige Back­steinvilla wurde 1899 von dem Fabrikanten Wilhelm Kühne in einem großen Park am damals noch freiliegenden Elseufer errichtet und steht heute unter Denkmalschutz.

In der Begründung der Unterschutzstellung heißt es:

»Das Objekt ist bedeutend für die Stadt Plettenberg, weil durch den im 19. Jahrhundert ausgebildeten Bautyp der Fabrikantenvilla und durch die reich ausgestalteten Fassaden deutlich wird, wie die Umstrukturierung des ehemals ländlichen Ortes zur Industriestadt ihren Ausdruck in Bauten mit repräsentativem, großstädtischem Charakter gefunden hat. Das Gebäude vergegenwärtigt durch seine weit über dem allgemeinen Niveau liegenden aufwendigen Stuckfassaden wesentliche Gestaltungsprinzipien wilhelminischer Architektur. Städtebaulich wichtig ist die Lage des Gebäudes an der Else, die ehemals die Hämmer der Gesenkschmiede betrieb. Wie in den anderen Städten des märkischen Sauerlandes prägt die sich im Tal ausbreitende Industrie mit ihren vielfältigen Anla­gen, so auch den Fabrikantenvillen, das Ortsbild.«

Das Haus (in Privatbesitz und innen nicht zu besichtigen) ist im Laufe der Jahre mehrfach umgebaut worden, so dass der ehemals großbürgerliche Charakter der Räumlichkeiten heute nur noch teilweise erhalten ist. Zum ursprünglichen Zustand gehörten eine saalartige, über zwei Geschosse reichende Eingangshalle mit einer im ersten Stock umlaufenden Freigalerie, eine repräsentative Treppenkonstruktion, ein riesiger Speisesaal, Wohnzimmer und Salon. Mettlacher Fliesen oder Parkett auf den Böden, aufwendige Stuckverzierungen an Decken und Wänden und prachtvolle Kaminverkleidungen zeigten den Repräsentationswillen der Besitzer.

Zum Typ des »Einzelwohnhauses vor der Stadt« gehörte eine heute ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Villa an der Bahnhofstraße (Hausnummer 68). Laut Denkmalliste ist das Gebäude ein » neurenaissancehafter Kubus aus gelbem Backstein mit reicher Stuckgliederung. Hohes korinthisches Kranzgesims, dazu seitlicher Risalit mit Fronton. Ein übereck gestellter Turm als Akzent mit bemerkenswerter Zwiebelhaube. Inmitten eines großen, durch Gitter abgeschlossenen Parks. Das Gebäude ist bedeutend für die Stadt Plettenberg, weil es durch seine gehobene Ausführung den wirtschaftlichen Aufschwung Plettenbergs um 1900 im allgemei­nen und das Repräsentationsbedürfnis sowie den Lebensstandard führender Kreise in Plettenberg um diese Zeit bezeugt.«

Die Baugenehmigung für dieses Haus wurde am 8. Juli 1887 von Carl Seis­senschmidt erbeten und drei Tage später von der Verwaltung erteilt. Die Bauzeichnungen des Iserlohner Architekten von Leppin, der damals eine ganze Reihe der Plettenberger Unterneh­mer zu seinen Kunden zählte, zeigen ein groß­zügig angelegtes Gebäu­de: im Erdgeschoss gibt es einen 30 qm großen Salon, ein 26 qm großes Speisezimmer, ein Wohnzimmer und die Küche mit geräumiger Speisekammer, in der 1. Etage ein Bad und vier Schlafzimmer, eines davon mit einem 21 qm großen Schrankzimmer. Die Dienstboten wohnten auf dem ausgebauten Dachboden.

Aus der Feuerversicherungspolice des Jahres 1887 geht hervor, dass der Wert des Hauses damals 26.000 Reichsmark betrug. Eine Police von 1901 geht auf die Innenausstattung genauer ein: Eichenholztreppen, Eichenparkett, zwei Porzellan-­Kachelöfen im Wert von 750 und 500 Reichsmark, eine »komplette Badeeinrich­tung mit Ofen, Wanne, Zu- und Ableitung« im Wert von 500 Reichsmark. Angemerkt wird:

»Das Gebäude ist im Jahre 1887 neu aus bestem Material und nach den besten Regeln der Technik gebaut. Die äußeren Wand­flächen und Architekturteile wurden noch im letzten Jahre mit Öl­farbe gestrichen. Das Gebäude liegt an der Hauptstraße und hat städtische Wasserleitungen.«

 

Damals noch ohne Villa: das Firmengelände auf dem Briefkopf der Firma Kühne um 1880 Villa Bahnhofstraße 68: Frontansicht aus der Bauzeichnung von 1887

 

Grünestr. 7 Villa Engelhart zu 2
Grünestr. 7 Villa Engelhart zu 2
Bahnhofstr. Wilhelmstr. W.O. Schulte, Vieregge 10.03.2015
Am Wall Villa Kühne 25.03.2020 GHeerich HK 1 zu 2
Villa Eveler Bild T.Schupp 11.3.2019
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