04) Machtspiele: Wer wird Herr des Sauerlands?

Die Tafel 4 gibt einen kurzen Überblick über die Entstehung Pletten­bergs und seiner Stadtbefestigung. Interessant ist auch die Be­trachtung der Geschichte derjenigen Familie, die unserer Stadt ih­ren Namen gegeben hat. lronischerweise endet die Bedeutung der Familie von Plettenberg für Plettenberg mit dessen Stadtwer­dung. Wie kam es dazu?

Man muss dafür etwas weiter ausholen: Plettenberg (damals noch ein kleines Dorf Heslipho) lag zwischen den aneinandergrenzenden Machtbereichen des Kölner Erzbistums, der Grafen von der Mark und der Arnsberger Grafen. Somit erhielt die kleine Siedlung herrschaftspolitische Bedeutung für die Konkurrenten.

Mittelalterliche Herrschaftstrukturen muss man sich völlig anders vorstellen als die heutigen. Für uns ist es selbstverständlich, dass »der Staat« für alle Bürger gleichermaßen zuständig ist. Diese Institution kassiert die Steuern und verteilt sie, stellt Beamte und Richter ein und bezahlt sie, sorgt für Ruhe und Ordnung und kümmert sich um das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung. Im Gegensatz dazu war im Mittelalter der Besitzer eines Gebiets zugleich Inhaber herrschaftlicher Rechte, zuständig für die Verwaltung und Aufrechterhaltung der Ordnung. Viele Adelige verwalteten zusätzlich zu ihrem eigenen Land auch noch Gebiete von höher gestellten, weiter entfernt wohnenden Adligen. Weil diese sich nicht selbst um all ihre Güter kümmern konnten; verliehen sie Land, Leute und Rechte als »Lehen« an ortsansässige Standesgenossen. Der Lehnsnehmer musste sich zur Treue gegenüber seinem Lehnsherrn verpflichten, ihm mit Rat und Hilfe zur Seite stehen und im Krieg an seiner Seite kämpfen. Die Einkünfte aus den Lehen (Abgaben, Fron­dienste, »Gebühren« aus Münzrecht, Zollrecht, Bergwerks- und Salzregal, Fischereirecht, Jagdrecht...) waren das Entgelt für die »Beamtentätigkeiten«, die der Lehnsempfänger als Dienst für den Lehnsgeber ausübte.

An unterster Stelle dieser durch persönliche Bindungen gekennzeichneten Gesell­schaft stand der einfache Bauer. Er war meist nicht »frei«, sondern unterstand einem »Grundherrn«, dessen (eigenes oder als Lehen verwaltetes) Land er bebaute und dessen Schutz er genoß. Dafür unterwarf er sich dessen Anordnungen und zahlte mit einem Teil der Ernte und mit Arbeitsstunden.

Solch zersplitterte Machtverhältnisse herrschten auch im mittelalterlichen Plet­tenberg. Seit etwa dem Jahr 1000 besaßen die Erzbischöfe von Köln die kirchliche Oberhoheit und die örtliche Gerichtsbarkeit im Raum Plettenberg. Als Herzöge von Westfalen waren die Erzbischöfe zugleich weltliche Herrscher und erwarben Land, Leute und Rechte in Plettenberg. Mit den Kölnern konkurrierten die Grafen von Arnsberg und die Grafen von der Mark. Um sich ortsansässige Bundesgenossen zu sichern, gaben alle drei fleißig Lehen an Plettenberger aus. Am stärksten profitier­te von dieser Konkurrenz die Familie von Plettenberg, alteingesessener Plettenber­ger Adel und Namensgeber der Stadt.

Bereits um 1100 waren die von Plettenberg reich genug, um sich eine repräsenta­tive Burg in Plettenberg zu leisten. Die Familie besaß neben den Arnsberger Grafen den größten Teil der Bauernhöfe. Im Lauf des 13. Jahrhunderts baute sie dann eine Ortsherrschaft über das Dorf auf, sammelte Lehen (am häufigsten von den Kölner Erzbischöfen, die so ihren Einfluss im Plettenberger Gebiet zu stärken suchten) und erwarb Rechte wie etwa die Vogteirechte oder die Mühle samt »Mahlzwang« (die Bauern der Gegend mussten hier ihr Getreide malen lassen - zu gesalzenen Preisen).

Das passte nun den Grafen von der Mark überhaupt nicht ins Konzept. Diese ver­suchten nämlich seit dem 13. Jahrhundert, in Südwestfalen ein geschlossenes Herrschaftsgebiet, eine zentralisierte »Territorialherrschaft« aufzubauen und ein­heitliche Verwaltungsstrukturen zu organisieren. Dafür mussten sie den Kölnern, den Arnsbergern und - was das Puzzleteil Plettenberg anging - der Familie von Plettenberg durch Kauf, Tausch oder Druck möglichst viele Besitzungen und Be­rechtigungen abjagen. Da die von Plettenberg jedoch tendenziell meist mit dem Erzbistum Köln sympathisierten, welches seinen Einfluss auf die Familie durch großzügige Lehen- und Ämtervergaben ständig ausbaute, blieb den Grafen von der Mark nur das Mittel des politischen und militärischen Drucks, um ihr Territori­um auszubauen.

1301 gab Eberhard II. von der Mark den Bau der Burg Schwarzenberg in Auftrag (heute Ruine oberhalb der Lenneschleife zwischen Siesel und Pasel), die das Zen­trum der märkischen Verwaltung im Raum Plettenberg wurde. In den folgenden Jahrzehnten versuchten die märkischen Grafen weiter, das Gebiet herrschaftlich zu durchdringen und die Familie von Plettenberg an sich zu binden. Das der Familie abgenommene Gut gaben sie dieser dann wieder als Lehen zurück, sodass die von Plettenberg nun in märkischen Diensten ihren ehemaligen Eigenbesitz verwalteten. Schon hier zeichnet sich der Prozess des Machtverlusts der von Plettenberg deutlich ab. 1344 wurde Gert von Plettenberg Drost (Burggraf) auf der Burg Schwarzenberg und damit eindeutig märkischer Gefolgsmann. Andere Mitglieder der Familie allerdings blieben weiterhin kurkölnische Lehnsleute.

Für die einfachen Leute im Raum Plettenberg hatte der ganze Prozess den Vorteil, dass sie langsam aus der Privatdienstbarkeit der von Plettenberg herauskamen und nur noch der Oberhoheit der (meist abwesenden) märkischen Landsherren unterstanden. Dem Willen vor allem Engelberts III. (1347-1391), sein südwestfälisches Territorium zu festigen, verdankt Plettenberg wahrscheinlich auch seine Stadtwerdung. Bereits 1387 nämlich verlieh er dem Ort wichtige Selbstverwaltungsrechte und das Privileg zur Bestallung eines Holzrichters. Vermutlich wollte er die Plettenberger endgültig aus dem Abhängigkeitsverhältnis von der Ritterfamilie von Plettenberg lösen, die Reste kurkölnischer Orientierung brechen und die Einwohner ganz für die Grafschaft gewinnen.
Als die Burg Schwarzenberg vor 1397 während kriegerischer Verwicklungen zwischen den märkischen Grafen und dem Herzog von Berg von einem bergischen Gefolgsmann erobert wurde, stand die südöstliche Grafschaft Mark plötzlich ohne Schutz da. Graf Dietrich von der Mark reagierte darauf, indem er Plettenberg am 1.April 1397 die Stadtrechte verlieh und mit dem Bau von Befestigungen begann. Spätestens jetzt trennten sich die Wege der Familie von Plettenberg und der nach ihrem Namen benannten Stadt.


Das Familienwappen derer von Plettenberg, im Original in den Farben Blau und Gold