Die Tafel 12 berichtet über die Anfänge der Mädchenbildung und des höheren Schulwesens in Plettenberg. Es bedurfte zäher Verhandlungen mit übergeordneten Behörden, bis in Plettenberg 1950 zum ersten Mal ein Abitur abgelegt werden konnte.
Vorher mussten die Schülerinnen und Schüler auswärtige Schulen besuchen, um einen qualifizierten Abschluss zu erlangen. Durch den hohen Kostenaufwand, welchen die Fahrt in andere Städte und die Unterbringung in Internaten mit sich brachte, wurde der Wunsch nach einem Ausbau der »Selekta« vor allem unter den weniger gut betuchten Eltern laut. Um eine Verschmelzung der Selekta mit der höheren Mädchenschule zu erreichen und zu einer »Höheren Stadtschule« auszubauen, fanden seit 1902 Verhandlungen der Stadt mit den zuständigen Schulbehörden statt. Nachdem die Ministerialbehörde am 7. Februar 1907 ihr Einverständnis zur Einrichtung einer »Realschule« gegeben hatte, konnten ab dem 16. April 1907 zunächst vier Klassen im Gebäude der evangelischen Volksschule am Maiplatz unterrichtet werden. Der erste Schritt zu einer staatlich anerkannten höheren Schule war somit getan.
Da bald die räumliche Enge immer größer wurde, entschloss man sich, ein neues, größeres Schulgebäude in der Königstraße zu errichten. Nach dem Richtfest am 1. November 1908 konnten die 150 Schüler am 19. Juni 1909 den Unterricht in ihrer neuen Schule wieder aufnehmen. Im Oktober 1914 übernahm Dr. Wilhelm Kreft die kommissarische und ab Ostern 1915 die ministeriell bestätigte Leitung der Realschule. Vom Jahre 1919 an wurden auch Mädchen aufgenommen, da sich nach dem Ersten Weltkrieg der Gedanke der Koedukation durchgesetzt hatte. Aus diesem Grund konnte die Mädchenschule von 1919 bis 1932 klassenweise an die Realschule angegliedert werden.
Um den Übergang zum nächsten Realgymnasium in Altena zu erleichtern, musste die Realschule in Plettenberg Lateinisch in ihren Lehrplan aufnehmen. Aus diesem Grund wurde sie zum Reformrealprogymnasium umgewandelt (mit Englisch als erster und Lateinisch als zweiter Fremdsprache). Trotz dieser Verbesserungen ging die Schülerzahl kontinuierlich zurück, wohl wegen des umständlichen Schulwechsels nach Altena. Ende 1945 trat Dr. Wilhelm Kreft in den Ruhestand, worauf Studienrat Adolf Stiefelhagen die kommissarische Leitung der Schule übernahm. Da nun zahlreiche Kinder, auch von Evakuierten und Heimatvertriebenen, die Schule nach einer fast einjährigen Schließung wieder besuchen wollten, kam der Wunsch nach einem Ausbau der Schule zur Vollanstalt auf. Dieser Wunsch wurde dann auch am 9. Februar 1948 durch die ministerielle Genehmigung erfüllt. Man hatte sich für den Typ des neusprachlichen Gymnasiums entschieden. Somit besaß Plettenberg endlich eine eigene Schule, in der die Schüler ohne Ortswechsel ihr Abitur ablegen konnten.
Das alte Gymnasium in der Königstraße, heute die Martin-Luther-Grundschule
1950 war es zum ersten Mal soweit. 15 Schüler bestanden ihr Abitur in Plettenberg. Damals waren noch in jedem Hauptfach Klausuren zu schreiben. Im Fach Deutsch standen drei Themen zur Auswahl. Gefordert wurden nicht wie heute Interpretationen konkreter Textvorlagen, sondern »Besinnungsaufsätze«.
1) Worin sieht Goethe (nach Faust I. und II.) die Erfüllung des Lebens?
2) Sprechen Sie über ein Dichterwort, das Ihnen besonders wertvoll erscheint.
3) Was würden Sie Ihrem Freund antworten, wenn er Ihnen den Eintritt in den SGV empfiehlt? (SGV - Sauerländischer Gebirgsverein)
Im Fach Lateinisch mussten 29 Zeilen aus Livius, »ab urbe condita«, ins Deutsche übersetzt werden - eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, an der sich heute auch Abiturienten mit Latinum die Zähne ausbeißen würden. Der Text wurde zuvor diktiert (Kopierer gab es schließlich noch nicht), Wörterbücher waren nicht gestattet.
Das neue Albert-Schweitzer-Gymnasium im Böddinghauser Feld, 1995 durch einen Anbau erweitert
Ab 1950 stieg die Schülerzahl und mit ihr das Raumproblem. Trotz einiger Erleichterungen, die durch den umfangreichen Ausbau des Gebäudes in der Königstraße erzielt wurden (Erweiterung um fünf Klassenräume, einen Musikraum und einen großen Zeichensaal mit zwei Nebenräumen), »platzte die Schule aus allen Nähten«. Im Dezember 1961 beschloß der Stadtrat, einen Neubau im Stadtteil Böddinghausen zu errichten. Der Plan dieses Bauvorhabens bezog die Angliederung eines mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweiges mit ein. Im August 1964 konnte dann mit den Bauarbeiten begonnen und im Mai 1965 das Richtfest gefeiert werden. Am Freitag, dem 9. Dezember 1966 begann der Unterricht in der neuen Schule im Böddinghauser Feld.
Auch im neuen Gebäude wurde es schon bald wieder eng. Anfang der 80er Jahre stieg die Schülerzahl auf über 1200 Schüler an. Es dauerte dann noch weitere zehn Jahre, bis die Stadt Plettenberg sich zu einer Erweiterung der Schule entschloß. Im Juli 1992 beschloß der Stadtrat den Anbau, der am 1. August 1995 bezogen werden konnte.