Mit Heinrich Jung, genannt „Stilling“, wirkte für kurze Zeit einer der größten Universalgelehrten des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Himmelmert. Dabei wurde er aufgrund seiner eigentümlichen Persönlichkeit und seines großen wissenschaftlichen Talents oft Ziel des Spotts der Einwohner von „Dorlingen“, wie Himmelmert zur damaligen Zeit genannt wurde. Als gerade einmal 16-Jähriger unterrichtete der gebürtige Siegerländer die Kinder „Steifmanns“, der wohlhabenden Familie Stahlschmidt.
Heinrich Jung kam 1740 in Grund bei Hilchenbach im ehemaligen Fürstentum Nassau-Siegen zur Welt. Sein Vater, ein Dorfschneider, unterzog ihn einer strengen Erziehung, zumal seine Mutter verstarb, als Stilling 18 Monate alt war. Von seinem Vater erlernte er auch die Kunst des Schneiderns, doch seine Talente ließen ihn im Laufe seines Lebens in vielen Bereichen tätig sein. So wirkte er später nicht nur als angesehener Augenarzt, sondern auch als Wirtschaftswissenschaftler und Schriftsteller. Dabei lässt sich sein Aufenthalt in Himmelmert durchaus als sehr lehrreiche Zeit verstehen, wie er in seinen 1777 veröffentlichten Jugenderinnerungen schildert. Denn hier traf er auf Menschen, die so ganz andere Charakterzüge besaßen, als die, die er aus seiner Heimat im Siegerland gewohnt war.
Die sicher schwere Beziehung Stillings zu den Himmelmertern offenbarte sich bereits vor seiner Ankunft in „Dorlingen“. Als ihn Ende November 1755 zwei Fuhrleute aus dem kleinen Sauerländer Dörfchen abholten, sollen sie über ihn gespottet haben, da er dümmlich auf sie gewirkt habe. Stilling erinnert sich später, dass er den Spott so lange wie möglich ertragen habe. Doch irgendwann bahnte sich seine Wut ihren Weg: Er habe sie angeschrien, dass er schon wüsste, wie er den Kindern der Fuhrleute Manieren beibringen könne, sollten sie ebenso ungezogen sein, wie ihre Väter.
So traf der „sonderbare“ Stilling in Himmelmert ein und sollte zum 1. Dezember 1755 seine Stellung als Hauslehrer bei den „Steifmanns“, wie die Familie Stahlschmidt genannt wurde, antreten. Das Familienoberhaupt der Stahlschmidts hatte den Onkel Stillings zufällig kennengelernt, der diesem wiederum seinen Neffen als Hauslehrer anbot. Denn die Kinder der Stahlschmidts hatten, so wie auch die übrigen Kinder aus „Dorlingen“, keine Möglichkeit eine Schule zu besuchen. Für Stilling schien es eine willkommene Gelegenheit zu sein, den ihn einengenden Verhältnissen der Heimatregion zu entkommen. So sollen kurz vor seiner Abreise alle um ihn herum traurig gewesen sein, bei vielen seien sogar Tränen geflossen. Nur Stilling selbst soll froh und heiter gewesen sein und sich auf die neue Herausforderung gefreut haben.
Hatte Stilling zunächst mit dem Unterricht der Kinder Stahlschmidts begonnen, nahmen schon bald viele weitere Kinder „Dorlingens“ am Unterricht des Siegerländers teil. Nach und nach kamen so insgesamt 18 Schüler und zehn bis zwölf Schülerinnen in seine Klasse. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die allgemeine Schulpflicht in unserer Heimatregion bereits eingeführt worden. Als Johann Jung nach Himmelmert kam, besaßen bereits Pasel, Eiringhausen und Landemert primitive Bauernschaftsschulen.
Doch ebenso, wie die Fuhrleute ihm wohl bereits die Vorfreude auf seine neue Anstellung genommen hatten, schienen auch seine Schüler ihm jede Illusion zu nehmen, in dem Beruf des Hauslehrers seinen „Traumjob“ gefunden zu haben. Sein Unterricht soll im Wesentlichen aus Singen, Beten, Lesen und dem Erlernen des Katechismus bestanden haben. In seinen Jugenderinnerungen schildert Stilling später, dass es praktisch unmöglich gewesen sei, bei den starrköpfigen Himmelmerter Kindern für Zucht und Ordnung zu sorgen. So habe er mehrfach vergebens auf rebellische Schüler mit dem Stock eingeschlagen.
Auch sein Verhältnis zu „Steifmann“ selbst, aber auch zu den Einwohnern von Himmelmert, war wohl eher unterkühlt und nicht von großer Nähe gekennzeichnet. Seinen Arbeitgeber bezeichnete Stilling später lediglich als reichen Mann, der neben seiner Stahlfabrik viele Güter, Ochsen, Schafe, Ziegen und Schweine besessen habe und von dem er vermute, dass er bereits mehrfach verheiratet gewesen sei.
Während seines nur wenige Monate dauernden Aufenthalts in „Dorlingen“ unterrichtete Stilling auf dem Hof Huxholl, der damals den Stahlschmidts gehörte. Heute ist nachgewiesen, dass dieser Hof mindestens seit dem 15. Jahrhundert existierte und bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts von der gleichnamigen Familie bewohnt war. Noch Ende des 19. Jahrhunderts kam ein weiterer Siegerländer nach Himmelmert, Friedrich Neuser. Auch er war hier als Lehrer tätig und berichtete in seinen Erinnerungen, dass er noch das Bauernhaus gesehen habe, in dem Stilling als Hauslehrer gewirkt habe.