Heute erinnert nicht mehr viel an den „einst guten Namen in der Schraubenproduktion“. Auf der Bredde, wo gegenwärtig viele Plettenberger ihre Einkäufe erledigen, befand sich einst das Fabrikgelände der Firma Graewe & Kaiser. Geschäftsführung und Mitarbeiter erlebten zahlreiche Höhen und Tiefen, überstanden alliierte Tiefflieger-Angriffe während des Zweiten Weltkrieges und führten am Ende einen aussichtslosen Kampf um das Überleben des Unternehmens.
Julius Kaiser und Wilhelm Graewe standen am Anfang der Entwicklung des Unternehmens. Die beiden Fabrikanten gründeten 1872 die nach ihnen benannte Fabrik, die über ein Jahrhundert zu den stärksten ihrer Art in der Vier-Täler-Stadt gezählt wurde. Die hier anfangs produzierten Nieten und Schrauben genossen über die Grenzen Plettenbergs hinaus einen guten Ruf, galten als echte Qualitätsware. Die durch eine künstlich angelegte Insel in der Lenne angetriebene Dampfmaschine sorgte für eine schnelle und effiziente Produktion.
Besonders die durch Adolf Hitler im Vorfeld und während des Zweiten Weltkrieges befohlene Aufrüstung bescherte der Firma Graewe & Kaiser einen besonders starken Aufschwung. Doch brachte dies auch Nachteile mit sich: Denn als für die Herstellung kriegswichtiger Güter geltendes Unternehmen, geriet die Fabrik ins Visier der Alliierten, die mit Tiefflieger-Angriffen weite Teile des Fabrik-Areals zerstörten.
Als wenn dies nicht schon gereicht hätte, musste das Unternehmen nach 1945 auch umfangreiche Reparationsleistungen in Form von Maschinen und Geräten an die Briten leisten. Doch damit war Graewe & Kaiser noch nicht tot – im Gegenteil. Schnell begann der Wiederaufbau der Firma, die sich in den 1960-er Jahren auch neu strukturierte.
Fortan stand die Belieferung der wachsenden Automobil-Industrie im Vordergrund. Damit begab sich das Unternehmen auf einen Markt, auf den nicht nur viele andere Betriebe der Vier-Täler-Stadt drängten, sondern auf dem auch der Druck der Konkurrenz aus dem Ausland besonders hoch war. Dieser Druck wurde besonders ab den 1970-er Jahren deutlich. In diesem Jahrzehnt zeichnete sich bereits der Niedergang des Traditionsunternehmens ab. Im Oktober 1981 kam es dann zum „Crash“. Zahlreiche Mitarbeiter, aber auch die Gewerkschaft, forderten den Konkurs des Betriebes, um diesen zu retten und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Dem Druck aus dem eigenen Unternehmen musste sich die Geschäftsführung letztendlich beugen. Sie strebte, am Ende erfolgreich, einen Vergleich an. Was alle Beteiligten damals noch nicht wussten: Graewe & Kaiser starb auf diese Weise einen Tod auf Raten.
Die Firma FHS Schulte aus Altena übernahm „Graeka“ und plötzlich schien es so, als würde es wieder bergauf gehen. Doch nur ein Jahr nach der Übernahme kam die Ernüchterung: bei einem beabsichtigten Unfall verstarb der neue Inhaber. Dieser hatte auf diese Weise versucht, mittels der Auszahlung hoher Versicherungssummen den Verbund der beteiligten Betriebe zu stärken. Ein am Ende erfolgloses Unterfangen. Graewe & Kaiser musste Konkurs anmelden.
Wie ein Wunder muss dabei den Mitarbeitern und der Geschäftsführung die Übernahme des insolventen Betriebes durch einen englischen Unternehmer erschienen sein. Doch auch er konnte den Abwärtstrend des Plettenberger Betriebes nicht mehr aufhalten. Nach nur kurzer Zeit war auch er gescheitert. Graeka stellte seine Produktion endgültig ein.
Die Gebäude des Unternehmens blieben jedoch zunächst noch erhalten. Sie wurden vermietet und beherbergten ein Asylantenheim und mehrere kleine Dienstleistungs- und Kleinunternehmen. Doch auch dies konnte dem ehemaligen Firmenkomplex nur einen Aufschub gewähren. Am 1. September 2002 wurde mit dem Abriss der Gebäude begonnen. An ihrer Stelle stehen heute mehrere Einzelhandelsgeschäfte. Fast nichts erinnert mehr an das einst starke Unternehmen - außer eine kleine blaue Geschichtstafel.